Frankfurt am Main: Wem gehört die Stadt?

»Die Frage, welche Stadt wir wollen, lässt sich nicht von der Frage trennen, was für Menschen wir sein wollen, welche sozialen Beziehungen wir anstreben, (...)«
David Harvey





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Der Slogan des Netzwerks »Wem gehört die Stadt?« stellt in erster Linie Eigentumsverhältnisse in Frage, und ist die Provokation, mit der wir in den städtischen Raum intervenieren wollen. Gehört die Stadt überhaupt? Wir wollen mit der Frage die Möglichkeiten, die eine Stadt bietet, ausfindig machen und vor allem die Grenzen, die die gesamte Stadt durchziehen, benennen und angreifen. Sie drückt außerdem aus, dass wir auf der Suche nach unserem Verhältnis zu dieser Stadt sind. Gehört sie auch denen, die besitzlos sind? Wollen wir, dass sie uns gehört? Eine Frage ruft nach Antworten, die mit Sicherheit sehr unterschiedlich ausfallen werden. Eins unserer Ziele jedenfalls ist, mit Interventionen in der Stadt Ideen einer Gesellschaft aufzeigen, in der Leben eine andere Bedeutung hat als Lohnarbeit und Freizeitpark.

Was tun?
Wir wollen, dass nicht die soziale Herkunft oder die Hautfarbe darüber entscheidet, wer eine Wohnung in der Stadt bekommt. Wir wollen uns unkontrolliert und nach eigenem Belieben überall bewegen können. Wir wollen eine Stadt, in der das Wohnen ein bedingungsloses Recht aller ist, völlig egal, welche materiellen Ressourcen ihnen zur Verfügung stehen und egal, in welche Kategorie von »Nützlichkeit« irgendwer gesteckt wird. Mieter_innen Initiativen für bezahlbaren Wohnraum, die Forderung nach sozialem Wohnungsbau in Mitten der Städte und Kämpfe gegen Aufwertung und die damit einhergehende Verdrängung und Umstrukturierung wollen wir unterstützen und bestärken. Gleichzeitig sind wir der Meinung: Wohnraum darf keine Ware sein, Stadt darf keine Ware sein! Für eine Politik, die »Frankfurt für alle« proklamiert, aber »Frankfurt für alle, die es sich leisten können« meint, stehen wir als Netzwerk nicht zur Verfügung. Das schließt auch aus, dass wir uns an Runde Tische setzen, wo mit Petra Roth über die weitere und beschleunigte Privatisierung des öffentlichen Raums geredet wird. Oder wo die Schaffung von »attraktiven Wohnangeboten« für angebliche Leistungsträger Thema ist.

Vernetzen!
Mittlerweile beschäftigen sich die unterschiedlichsten Menschen, Initiativen und Gruppen in Frankfurt mit der neoliberalen Umgestaltung des städtischen Raums. Allerdings gibt es in Frankfurt, anders als beispielsweise in Hamburg (Recht auf Stadt) bisher keine stadtweite Vernetzung, die einen Austausch über einzelne Gruppen und Initiativen hinaus ermöglicht. Mit der Schaffung des Netzwerks »Wem gehört die Stadt?« soll sich das ändern:

Teil des Netzwerks können alle sein, die sich im weitesten Sinne mit Gentrifizierung, Verdrängung und Überwachung etc. beschäftigen, oder direkt von ihr betroffen sind und dagegen emanzipatorische Vorstellungen erkämpfen wollen.

Ein Netzwerk wird trotz und wegen aller Unterschiedlichkeiten die Möglichkeit bieten, sich auszutauschen, über Aktionen zu informieren oder Bündnisse zu konkreten Anlässen zu schließen. Wir wollen uns so gegenseitig unterstützen und stärken, ohne immer über alle politischen Fragen gleicher Auffassung sein zu müssen.

Das Netzwerk ist kein Bündnis!

Schon jetzt haben wir uns im Netzwerk auf einige strukturelle Vorgehensweisen geeinigt.

Es gibt keine Sprecher_innen und keine gemeinsamen Aufrufe oder Texte. Die im Netzwerk beteiligten Gruppen verfassen ihre eigenen Aufrufe, machen ihre eigenen Aktionen und verwenden dabei das gemeinsame Label »Wem gehört die Stadt?«. Wird es nötig als Netzwerk öffentlich aufzutreten, können das Vertreter_innen der einzelnen Gruppen übernehmen – allerdings muss immer klar sein, aus welchem Zusammenhang sie kommen und dass sie nicht für alle am Netzwerk Beteiligten sprechen können. Für gemeinsame Aktionen bilden sich Bündnisse aus Gruppen und Initiativen, die dann als Teil des Netzwerks gemeinsam auftreten, Texte und Aufrufe verfassen.

Das Netzwerk ist kein Ort der Beliebigkeit!

Trotz aller Offenheit, die wir für wichtig halten, um die längst fällige Szeneübergreifende Frage »Wem gehört die Stadt?« zu stellen, halten wir es für unerlässlich, einige Grenzen abzustecken. Bürgerwehr-Begeisterte, die der Meinung sind ihren Kiez oder Park von »Pennern«, »Schmarotzern« und »Asozialen« befreien zu müssen, Rechtspopulist_innen, die den Niedergang Frankfurts oder des Abendlands in angeblicher »Überfremdung« phantasieren oder Nazis, die sich Frankfurt als »national befreite Zone« herbeisehnen, haben in dem Netzwerk nichts verloren. Das heißt knapp gesagt: Das Netzwerk ist keine Spielwiese für Antisemit_innen, Homophobe, Rassist_innen, Sexist_innen und andere Idioten.

Außerdem wollen wir uns nicht parteipolitisch instrumentalisieren lassen, deshalb ist das Netzwerk keine Plattform für Parteien.

Los geht's!
Das Netzwerk trifft sich bereits regelmäßig. Wir freuen uns über weitere Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen, die mitmachen wollen. Ort und Termin der Treffen findet ihr hier auf der Website.


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